Wie um alles in der Welt konnte mich diese Expedia-Experten-Tussi im Kauai Beach Resort nur dazu bringen, mich freiwillig zu all den anderen Hühnern hier auf die gepolsterte Stange namens Bank zu gesellen – mit der irrsinnigen Absicht, mein Schlachtgewicht bestimmen zu lassen? Denn meine Körperfülle ist es wohl, die bestimmt, wo genau ich gleich sitzen werde beim Helikopter-Rundflug über Kauai.

Ready for take off!“ Ähm … sorry, ne. Irgendwie so gar nicht. Flughafen-Atmosphäre: super. Aber Flugzeuge? Igitt! Starre, enge, ungelenke Stahlkäfige – vollgestopft mit diesen Menschen, die sich tatsächlich einbilden, fliegen zu können: wohl eher Geflügeltiertransport als Wohlfühlurlaub! Der nächste Flug scheint immer der schlimmste, und ich meine jedes Mal wieder von Neuem, mich niemals zuvor so elend gefühlt zu haben. Nichtsdestotrotz … anders als das arme Federvieh, hab ich ja ne Wahl, und für ein Reiseziel wie Hawaii lässt man dann schon auch mal diverse Flug-Torturen über sich ergehen. Und jetzt, wo ich schon mal da bin …

Auf dem Waimea Canyon Drive ins Inselinnere

Einen geerdeteren Eindruck von Hawaiis Garteninsel konnte ich mir bereits per Mietwagen verschaffen. Die einzige Möglichkeit auf Rädern auch ins bergige Inselinnere vorzudringen, bietet der Waimea Canyon Drive (Highway 550). Die gut ausgebaute Straße nähert sich von Süden kommend der zerklüfteten Na’Pali Coast im Nord-Westen der Insel und schmiegt sich der Länge nach sacht an den tiefen Spalt in der Erdoberfläche, den der Waimea Canyon hinterließ.
Kauai ist die älteste Tochter von Hawaiis Vulkangöttin Pele. Sechs Millionen Jahre haben eindrückliche Spuren auf ihrem geröteten Teint hinterlassen, der mittlerweile von tiefen Falten und Narben gezeichnet ist. Der niedrigste Punkt des von Mark Twain betitelten „Grand Canyon des Pazifiks“ liegt etwa 1100 Meter in der Tiefe und gründet auf einem verheerenden Einsturz des Schildvulkans, der die Insel entstehen ließ.

Mit zunehmenden Höhenmetern wird die Scenic Route kurviger, die Vegetation üppiger und die Ausblicke von der Kante des Waimea Canyon dramatischer. Während ich anfangs noch nach jedem Halt die Spiegelreflex wieder im Holster verstaut, den Autoschlüssel rausgekramt, aufgeschlossen und mich brav angeschnallt hatte, bevor es weitergehen konnte, wurde mir dieses höchst vorbildliche Verhalten dann doch recht bald lästig. Nach der nächsten, kaum 200 Meter entfernten Serpentine wartete das nächste farbenprächtige Fels-Panorama darauf, aufgesogen und abgelichtet zu werden.

Vom trockenen Südwesten führt der Highway 550 dann in die Berge des Koke’e State Park – der Garten Eden aller Blumenkinder auf Chlorophyll-Entzug. Durch dessen dicht bewachsene Regenwälder schlängeln sich 73 Kilometer Wegenetz. Etliche Schilder am Straßenrand kennzeichnen verschiedene Trail-Heads, die ins Dickicht führen. Anlaufstelle für potenzielle Wanderer ist das Koke’e Natural History Museum. Ortskundige Museumsmitarbeiter wissen das Wanderwegeknäuel in den Waimea Canyon und Koke’e State Parks zu entwirren. Sie geben kostenfrei Auskunft über die Beschaffenheit der Pfade sowie über derzeitige Wetterbedingungen und sind gerne bei der Tourenplanung behilflich.
Auch nach bereits unzählig atemberaubenden Ausblicken und Landschaftspanoramen, die durchaus ausreichen, um eine Speicherkarte zu füllen, lohnt es sich durchzuhalten und den Highway noch bis ganz zum Ende zu fahren. Denn das beste kommt ja bekanntlich zum Schluss.

Kauai zu Land und zu Wasser

Von dem, was mich dort erwarten würde, konnte ich mir schon auf dem Seeweg einen vielversprechenden, ersten Eindruck verschaffen. Mit Captain Andy’s Sailing Adventures hatte ich mich in Begleitung einer Horde Delfine an die bis auf 1300 Meter hoch geknautschten Klippen der berüchtigten Na’Pali Coast herangepirscht.
Überdurchschnittlich viel Regen zum einen und der Ozean zum anderen formten über die Jahre ein Basalt-Gerippe, das fruchtbare, tiefe Täler umgibt. Die beiden letzten Aussichtsplattformen entlang des Highways 550 sollten Einblick gewähren in eine dieser Talsenken. Auf einer Höhe von über 1500 Metern schweiften am Pu‘u o Kila Lookout die staunende Blicke nun gen Norden – ins märchenhafte Kalalau Valley. Kühler Wind verwehte sinnloses Gerede. Zurück blieb Gänsehaut. „Schön ist Kauai, über jeden Vergleich erhaben“ … bähm …!

„Maika‘i Kaua‘i hemolele i ka mālie“
„Schön ist Kauai, über jeden Vergleich erhaben“

hawaiianisches Volkslied von Henry Waiau

Näher ran, geht kaum. Einziger Landzugang zur zerklüfteten Küste ist der knifflige Kalalau Trail. Wohl nicht ganz ohne, die vielen Auf und Abs – als folge man zu Fuß den Schienen einer Achterbahn. Über hoch aufragende Klippen, durch üppige Täler, hinab auf Meereshöhe. Die ersten drei relativ harmlosen Kilometer zum Hanakapi’ai Beach sind jedoch ohne weiteres auf legalem Wege begehbar. Für die kompletten 29,4 Kilometer Roundtrip aber ist ein Camping-Permit für mindestens eine Übernachtung Pflicht.

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Kauai aus der Vogelperspektive

Wie ich sie gerade um ihr ausgeklügeltes Zeitkalkül beneide, diese Wanderfreaks. Beide Beine fest auf hawaiianischem Boden. Hätte ich mich damit mal zufrieden gegeben! Stattdessen binde ich mir eine Schwimmweste um die Hüfte und höre mir Sicherheitsbestimmungen für den American Eurocopter Eco-Star an, den Mercedes unter den Helis. Was das flaue Gefühl in meinem Magen angeht, nicht wirklich hilfreich. Aber es sind nun mal nur lächerliche zehn Prozent der Insel, die mit dem Auto zu erreichen sind. Mit großzügigem Zeitpolster, lassen sich einige zusätzliche Prozente erwandern. Die ganze Pracht Kauais aber offenbart sich angeblich nur aus der Vogelperspektive.
Diese Erkenntnis wurde auch zahlreichen Filmemachern aus Hollywood zuteil. Die wahrscheinlich berühmteste auf Kauai gedrehte Szene stammt aus Steven Spielbergs Jurassic Park*. Der Landeanflug auf den „Jura-Park“ vor der spektakulären Kulisse der Mana Waiopuna vergab den nur schwer zugänglichen Wasserfällen im Hanapepe Valley den Beinamen Jurassic Falls. Für einige Dschungel-Szenen aus „Fluch der Karibik – Fremde Gezeiten“ machte sich auch Jack Sparrow auf nach Kauai“.

Copilot. Mein Sitzplatz im Hubschrauber. Direkt neben Pilot Geoffrey. An Bord sind außer Geoff insgesamt fünf entspannte Passagiere … und ich. Rechtzeitig zum Start der Rotoren linst die bestimmt größte und schwärzeste Wolkenfront aller dagewesenen und noch kommenden Zeiten verstohlen hinter den Bergen hervor. Mein verkrampftes Festkrallen am Sitz kommentiert Geoffrey mit folgender beruhigender Aussage: „Might be a bit rocky today, but we will be fine!“ („Könnte heute etwas holprig werden, aber uns wird’s gut gehen!“; Übers. d. Verf.). „Wirklich witzig“, denke ich noch, und schon hebt der blaue Benz ab – ganz langsam und leicht schwankend in die Vertikale. Das Brennen in den Augen muss ein Indiz dafür sein, dass sich der orangefarbene Kreis mit dem großen H am Boden unter uns gerade in meine Pupillen fräst. Trotzdem entgeht mir nicht, wie Geoffrey den Steuerhebel nach vorne drückt. Die Heli-Schnauze senkt sich, die Reise beginnt …

Spektakulärer Auftakt bilden die Jurassic Falls. Anders als im Flieger wird mir schnell bewusst, dass hinsichtlich der „Vergessenen Welt“, die sich in all ihrer Fülle unter uns entfaltet, für Angst nicht weiter Zeit bleibt. Und die Knipserei so ganz ohne Hände ist eben auch nicht ganz so einfach. Durch die Schluchten des Waimea Canyon geht’s rüber an die Westküste zur Makaha Ridge und von da aus entlang der Na’Pali Coast zur North Shore. Letzte Station ist der Mount Waialeale, das vulkanische Herz der Insel und mit bis zu 12700 Millimetern jährlichem Niederschlag der regenreichste Ort der Erde.

Geoffrey navigiert den Heli geschickt in den Schlund des alten Vulkans, wo wir für eine Weile in der Luft stehend verharren. Die in Wasser getränkten Kraterwände ringsum ragen weit über uns hinaus und unzählige rauschende Wasserfälle schießen an den dicht bewachsenen, grünen Hängen hinunter. Eine Drehung um die eigene Achse ermöglicht uns ein 360 Grad-Panorama des Waialeale, zu deutsch „überlaufendes Wasser“.
Mein Magengrummeln hat sich längst verflüchtigt – abgelöst von einem Schwarm … nein, keinen Flugzeugen … aber Hubschraubern im Bauch. Sie ist meine Liebste, Kauai. Eine Naturschönheit, ungeschminkt, wie Gott sie schuf. Bescheiden, idyllisch, ländlich, ein winziger Fleck auf der Landkarte, aber das Größte, was die Natur zu zaubern vermag. „Maika‘i Kaua‘i hemolele i ka mālie“. „Schön ist Kauai, über jeden Vergleich erhaben“.

Mehr Geschichten, Eindrücke und Reisetipps aus dem Aloha-State findest du hier: Alle Hawaii-Artikel

Rundflug mit Blue Hawaiian Helicopters

Mehr Platz, mehr Sicht und mehr Effizienz bietet der American Eurocopter Eco-Star, der Mercedes unter den Helikoptern! Blue Hawaiian Helicopters serviert den Passagieren in einem 55-minütigen Eco-Star-Rundflug der Extraklasse – fachkundig vom Piloten kommentiert – ganz Kauai auf dem Silbertablett. Die Tour ist jeden Cent der fälligen 210.65 USD (ca. 164 EUR) wert.
Mehr Infos unterwww.bluehawaiian.com

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Mahalo.

6 replies on “Über Kauai mit Hubschraubern im Bauch

  1. Hallo,

    seit Stunden versuche ich im Internet etwas über die unterschiedlichen Farben der Basalte auf den Inseln von Kauai als ältester Insel bis zur jüngsten Insel im Osten herauszufinden. Rein Reiseveranstalter und kein Fachbuch scheint sich dafür zu interessieren. Wenn Sie aber die Inseln überflogen haben, sollten Sie es wissen: Ist meine Vermutung richtig, dass nur Kauai als älteste Insel diesen roten Basalt hat und die anderen nicht, dort der Basalt eher dunkel, schwarz oder grünlich ist?

    Mit freundlichen Grüßen

    Dieter Bremer

    1. Hallo Dieter,
      überflogen habe ich nur Kauai und Big Island. Die typische rote Färbung habe ich so tatsächlich nur auf Kauai gesehen. Big Island ist überwiegend schwarz – bis auf den South Point mit dem recht bekannten Green Sands Beach. Die seltene grüne Färbung des Sandes dort rührt von Olivinkristallen im Basalt. Diesen grünlich gefärbten Basalt findet man auch auf Oahu am Diamond Head.
      Allein auf Maui, südlich von Hana gelegen, gibt es noch die Kaihalulu Bay. Die Klippen dort sind rostrot, genau wie der Sandstrand, der auch als Red Sand Beach bekannt ist.
      Mit den geologischen Begebenheiten kenne ich mich leider auch nicht aus. Ich kann dir lediglich das berichten, was ich gesehen habe. Ich hoffe ich konnte dir damit ein bisschen weiterhelfen.
      LG,
      Claudi

      1. Hallo Claudia,

        ich bedanke mich recht herzlich für die Auskunft!

        Viel Spaß bei zukünftigen Reisen!

        Gruß Dieter

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