Ich hätte Hanauma Bay auch gerne bei Regen gesehen. Und wenn es Schnee und Hagel gleichzeitig wären, die über Hawaii hereinbrechen, mir doch egal. Soll der getrübte Blick durch die Scheiben eines Reisebusses etwa das einzige Bild sein, das mir von Oahu in Erinnerung bleibt? Alle Fotos gebrandet mit demselben fiesen Fleck. Ich will nach wie vor nicht glauben, dass der Ärmel meiner Jacke ihn nicht doch noch klein kriegen kann. Diesen Fleck, der sich ans Fenster gezeckt hat. Bloß um mich zu ärgern. Jedoch hat einer von uns beiden das Glück, draußen sein zu können. Ich bin’s nicht.

Fast Forward

Anderer Platz? Keine Chance. Voll besetzt. Sie scheinen alle zufrieden hier im Trockenen des klimatisierten Busses. Der ein oder andere macht ein Nickerchen. Manche schnattern fröhlich miteinander, manche starren in Lektüre versunken vor sich hin. Ich starre auch. Nach draußen. Wo ich nicht sein kann, weil eine Horde wildfremder Menschen in einer weiteren demokratischen Abstimmung beschlossen hat, bei Regen den Bus auf gar keinen Fall verlassen zu wollen. Jetzt flimmert Hawaii als Film, unscharf und im Zeitraffer, auf der schlierigen Leinwand eines Omnibus-Fensters an mir vorbei.

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„Wo ist die verflixte Fernbedienung? Kann mal bitte jemand von Vorspulen runter und auf Pause drücken?“

Ehe ich mich versehe ist Mittagszeit. Hanauma Bay? Lanikai? Vorbei. Dafür kann ich immerhin von mir behaupten, den Byodo-In Tempel und eine hawaiianische Tankstellentoilette besucht zu haben. Unverschämterweise habe ich sämtliche Aufforderungen ausgeschlagen, dem zufällig angrenzenden Souvenirshop zu mehr Einnahmen zu verhelfen.

Fast Food

Gegen eine Portion Chicken Strips mit Fries überlasse ich die Dollars nun dem völlig überfüllten Aunty Pat’s Paniolo Cafe auf der Kualoa Ranch. Die Working-Cattle-Ranch an Oahus Ostküste umfasst gut 1600 Hektar Land. Ein Touristenmagnet und ganz sicher auch superschön – wenn man denn genügend Zeit mitbringt. Mir bleibt eine knappe halbe Stunde, um Speis und Trank hinunterzuschlingen – vorausgesetzt ich würde bis dahin tatsächlich noch einen freien Platz finden.
Aufgescheucht mit Huhn durchs Chaos irrend ist es die Stimme einer Dame mittleren Alters, die ich in dem ganzen Tumult heraushöre. Sie ist fremd und klingt doch vertraut. Kein amerikanisches Buchstabengurgeln. Vielmehr ein breiter, lässiger Singsang, wie ich ihn von Australien kenne. Ob ich mich zu ihr und ihrem Mann gesellen möchte, fragt sie mich.

Die sympathischen Aussies sind Busgenossen. Wir kommen ins Plaudern. Smalltalk. Es ist gar nicht was, sondern wie sie’s sagen. In tiefster Ruhe. Gelassen und immer mit einem herzlichen Lächeln im Gesicht. Während ich immer noch hektisch mit meiner unmenschlich großen Portion amerikanischem Fast Food gegen die Uhr kämpfe. Und da wird mir klar: Nicht sie sind es, die gehetzt sind. Nicht die anderen. Nicht der Busfahrer. Nicht der Reiseverlauf – gut, der schon. Aber hauptsächlich ich selbst bin’s, die sich von Nichtigkeiten stressen lässt, die gefangen im Rastlos-Modus am besten alles auf einmal sehen will und ständig Schiss hat, irgendetwas verpassen zu können.

„Ich bin hier, und doch bin ich niemals angekommen!“

Fast Travel

Ja, klar! Das ist halt nicht meins. Dieses Großgruppen-Ding, wo du dich lediglich zurücklehnst und berieseln lässt. Wo du nichts selbst entscheidest, Steuer und Fernbedienung aus der Hand gibst. Wo das Ticken der Uhr dir dauernd im Nacken sitzt und die Zeit – wenn überhaupt – gerade mal so für den vorgesehenen Tourenplan ausreicht. Umso schwerer fällt es, diesen inneren Schalter, dessen Existenz ich mir so oft herbeisehne, umzulegen … von rastlos auf zeitlos, von drängeln auf genießen, oder einfach mal auf Aus.

Längst nicht als letzte aber immerhin etwas verspätet kehre ich zurück zum Busparkplatz. Das Hühnchen habe ich mehr oder weniger in Ruhe zu Ende gegessen und genauso will ich auch diesen Round Trip beenden. Er ist mein Oahu-Inselverzeichnis. In den nächsten Tagen werde ich auf eigene Faust losziehen und in meine persönlichen Lieblings-Rubriken eintauchen. Heute aber versuche ich erst einmal, einfach nur anzukommen.
Die Fahrt geht weiter entlang der berühmten North Shore nach Haleiwa und über das Inselinnere zurück nach Honolulu. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen, sodass wir uns auf den ein oder anderen Stopp doch noch haben einigen können.

Trotzdem wird ja wohl kaum einer glauben, dass lediglich mit ein wenig Einsicht plötzlich alles eitler Sonnenschein ist. Denkste! Auch wenn ich jedes Mal wieder drauf reinfalle: Großgruppentouren sind und bleiben einfach scheiße. Und wenn Gelassenheit immer so anstrengend ist, bleib ich doch fürs Erste lieber mühelos gestresst. Kann ja schließlich keiner als Vogel auf die Welt kommen und als Schildkröte sterben. Aber mich mehr auf die schönen Dinge konzentrieren, das kann ich. Und weniger den Fleck am Fenster fokusierend, als vielmehr das, was sich dahinter auftut, sind die Bilder von Oahu und diesem ersten Tag auf Oahu doch noch zu wunderschönen Erinnerungen geworden – mit einem gediegenen Abschluss am Strand von Waikiki bei einem spritzigen Longboard Island Lager.

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Polynesian Adventure
Ich habe die Grand Circle Island Tagestour mit Polynesian Adventure gemacht. Für knapp 100 Euro bist du mit an Bord eines viel zu großen Reisebusses und wirst einmal rund um Oahu chauffiert. Die Stopps waren für meinen Geschmack sehr hektisch, die Reiseleitung wenig herzlich. Wettertechnisch war ich leider auch nicht gerade mit Glück gesegnet, sodass einige der Highlights wie Hanauma Bay ins Wasser fielen. Meine Empfehlung: Such‘ dir ein familiäreres Unternehmen.
Mehr Infos unter:www.polyad.com

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