Ich erinnere mich gut an unsere gemeinsame Reise nach Madeira und damit auch an die zahlreichen Pannen, die sie uns schon bei der Anreise beschert hatte. Meine überraschte Reaktion auf Violas Anruf – „Äh, wie jetzt? Wir geh’n heute schon?!“ – sei jetzt mal kommentarlos so dahingestellt. Aber liebe Deutsche Bahn, Ihr Rail & Fly-Angebot macht so gar keinen Sinn, wenn der Zug zum Flug auf halber Strecke einfach mal stehenbleibt. Nichts für ungut, aber wohl eher Fail & Fly! Wie auch immer … dank einer nicht vorhandenen Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn und Violas sportlichem Ehrgeiz hatten wir’s schließlich doch nach Makaronesien geschafft.

Im Osten – Machico & die Ponta de São Lourenço

Ende August entpuppte sich der „ewige Frühling“ auf Madeira als vergänglicher als es ihm nachgesagt wird. Die heißeste und trockenste Zeit des Jahres hat bereits ihre Spuren auf der Blumeninsel Madeira hinterlassen. Blumen, ja. Aber Blumenpracht wäre wohl übertrieben gewesen. Gerade die im Osten der Insel nahe Machico gelegene Halbinsel Ponta de São Lourenço präsentierte sich uns nach einem heißen Sommer vielmehr als karge Wüstenlandschaft. Wo im Frühjahr auf vulkanischem Boden ein Meer von Blumen gedeiht, ist Ende August alles verblüht, verdorrt und verbrannt. Nur wenige Farbtupfer bleiben zurück, wie der violette Blütenschopf der Wilden Artischocke – auch Artischocken-Distel –, die sich eine Eidechse fürs Vespern und Sonnenbaden ausgesucht hat. Die erdige Farbpalette der schroffen Steilküste war jedoch nicht weniger eindrücklich und unser Drei-Stunden-Marsch den äußerst großzügigen Sonnencreme-Konsum wert. Ursprünglich madeirensisch ist sowieso so gut wie keines der farbenfrohen Gewächse.

São Jorge & die Bergdörfchen des Nordens

Echt handgemacht und genauso bunt waren dafür aber die Papierblüten, mit denen die Straßen und Gassen nicht nur in Machico oder Funchal zur besagten Zeit aufwendig geschmückt wurden. Anlass für die traditionellen Feierlichkeiten war die alljährliche Weinlese … oder die Hühner … oder beides.

„Festa das Galinhas“: São Jorge feierte zu Ehren des Huhns, das eine starke Präsenz in der heimischen Landwirtschaft, Ethnografie, Folklore und der regionalen Küche hat. Das Festival mit Ausstellungen, kulinarischen Vorführungen und jeder Menge musikalischer Unterhaltung fand auf dem kleinen Platz direkt unterhalb der Kirche im heutigen Zentrum der Gemeinde statt. Wir stießen zufällig darauf und mischten uns unter die vermutlich vollzählig versammelten Einwohner des 1300-Seelen-Dörfchens. Der recht üppige Madeira-Wein war auch für Biertrinker süffig, der Punsch nicht weniger gut und der Nachhauseweg schwankend.

Das alte Zentrum von São Jorge ist der heute verlassene Hafen Calhau de São Jorge – das Tor zum Meer. Direkt an der Mündung des Ribeira de São Jorge hat man hier ein Beton-Bunker an den Kiesstrand gegossen, der wohl ein Schwimmbad sein soll. Schön ist anders. Landschaftlich ist die Bucht und die Ruinen des einstigen Dörfchens trotzdem einen Abstecher wert.

Der Regenreichtum, der jenem flachen Ost-Zipfel der Insel komplett vorenthalten war, hüllte die nördlichen und zentralen Bergregionen beharrlich in eine dichte Wolkendecke. Viola bugsierte unseren arbeitsscheuen Kleinwagen entlang der Nordküste die schmalen und steilen Serpentinenstraßen hinauf zu all den kleinen lauschigen Bergdörfchen, während ich als Wegweiser fungierte. Auf die Bauernhäuschen Casas de Colmo in Santana stießen wir dann im Grunde zufällig.

Nicht weit davon am Rande des Naturreservats „Rocha do Navio“ trafen wir auf deutsche Touristen, die schweißgebadet vom Abstieg zur Fajã zurückkehrten. Frischen Traubenmost hatten ihnen die heimischen Bauern gereicht, die hier in spektakulärer, schwer zugänglicher Lage Reben und tropische Früchte anbauten. Ich hatte Glück: Die bedenklich klapprige Lasten-Seilbahn, mit der gerne auch mal lebensmüde Touristen hinunter zur Küste befördert werden, war außer Betrieb! Und auch die schwer geknickte Viola musste sich eher wohl als übel den Tatsachen ergeben.

Auf den Levadas ins Inselinnere

Neben unserem Fußmarsch zum höchsten Punkt Madeiras, dem Pico Ruivo, war ein weiteres meiner persönlichen Highlights die Fahrt auf der alten, teils gesperrten Küstenstraße Antigua ER101 zum schmucken Hafenstädtchen Porto Moniz im Nordwesten der Insel. Die Puppen tanzen hier sicherlich nicht, aber die Wahrscheinlichkeit, selbige beim Plantschen zwischen Lavafelsen im Naturpool anzutreffen, ist sehr hoch.

Porto Moniz war unser Basislager für die eine oder andere Levada-Wanderung. Um den fehlenden Wasserhaushalt in den landwirtschaftlichen Anbaugebieten im Süden auszugleichen, hatten die Bauern von einst diese künstlichen Wasserläufe geschaffen, die wir auf ihrer abenteuerlichen Reise über, unter und durch Berg und Tal begleiten durften. Und Leute, wenn in eurem Wanderführer steht, man benötige eine Taschenlampe, dann ist das wahrscheinlich ernst gemeint und ein Nokia-Schiebehandy definitiv als Lichtquelle nicht ausreichend – soviel habe ich gelernt. Und auch, dass Portugiesisch Tschechisch genug klingt, um das Englisch eines Tschechen für Portugiesisch zu halten. Eventuell beweist das aber auch nur, wie wenig sprachbegabt ich bin. Die Sache mit der Kommunikation übernahm demnach Viola, die sich mit ihrem Spanisch gut verständigen konnte.

Funchal und der Süden

Das quirlige Zentrum der Inselhauptstadt gleicht der Bühne eines ausverkauften Amphitheaters. Die vielen Häuser ihrer Bewohner drängen sich aufs ansteigende Halbrund der Bergausläufer des Pico do Arieiro. Die frischen Früchte vom Markt, der süße Wein, der erste Oreo-Cookie-McFlurry meines Lebens, die schicken Kroko-Print-Pumps, die ich mir nicht gekauft habe, … an Madeiras Mini-Metropole erinnere ich mich immer wieder gerne.

Die diesmal etwas vertrauenswürdiger wirkende Seilbahn von Funchals Altstadt nach Monte konnte auch ich Viola nicht ausreden. Mit der Seilbahn hoch, mit dem Schlitten wieder runter. Schon Hemingway hat die Rutschpartie durch die steilen Gassen vom Hausberg Monte hinab nach Funchal durchgestanden – vielleicht auch nur mit ordentlich Whiskey intus. Man weiß es nicht. Der Korbschlitten ist in Funchal jedenfalls nach wie vor eine mords Attraktion und die Warteschlangen unterhalb der Kirche „Nossa Senhora do Monte“ scheinen endlos. Ich beobachte lieber, als dass ich mich da hineinsetzen und mit einem nicht vorhandenen Urvertrauen in die „Carreiros“ über den Asphalt brettern würde. Wer’s gewagt hat, darf mir gerne davon berichten.

2 replies on “Madeira – Papierblüten und süßer Wein

  1. Sehr spannender Bericht (habe beim Lesen mehrmals geschmunzelt ;) und geniale Fotos! Kommt man auf Madeira eigentlich auch ohne Mietwagen aus? Mit anderen Worten: Gibt es da so etwas wie ein Busnetz? Wir sind in 3,5 Wochen vor Ort und hatten eigentlich nicht vor, einen Mietwagen zu nehmen. Aber nach Deinem Bericht tendieren ich doch zu einem…Und ist das Wetter dort sehr wechselhaft?

    LG, Milena

    1. Hallo Milena,

      danke erstmal für deinen netten Kommentar! Freut mich, wenn dir der Bericht gefällt.
      Wir waren ganz froh, einen Mietwagen gehabt zu haben, da die Straßen manchmal schon sehr abenteuerlich waren. Ist mir ein Rätsel wie dort teilweise Busse fahren können. Allerdings haben wir sehr viele Wanderer getroffen, die mit dem Bus unterwegs waren und das Bussystem sehr gelobt haben. Man kommt offensichtlich also schon auch ohne Auto aus.
      Ich fand schon, dass das Wetter wechselhaft war, hängt aber stark davon ab, wo auf der Insel man sich befindet. Speziell im Norden muss man eigentlich immer mit Regen rechnen.

      Ich wünsch‘ dir ganz viel Spaß und lass‘ mal von dir hören!
      LG, Claudi

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