19 Tage genau ist es her, seit ich das erste mal Fuß auf australischen Boden gesetzt habe. Fast drei Wochen vergangen … kein einziges hoppelndes Känguru, kein Emu und nichts was auch nur im entferntesten einem Koalabären ähnlich sehen würde! Allerhöchste Zeit, mich auf die Spuren der australischen Wappentiere zu begeben.
Die Fährte führt mich aus der Großstadt heraus in 150 km² von Eukalyptus dominiertes Buschland nur 25 Kilometer nördlich von Sydney, den Ku-ring-gai-Chase-Nationalpark. An der südlichen Grenze des Nationalparks erreichen wir nach nur 30 Minuten in Marc’s „Superbus“ den 12 Hektar umfassenden Waratah Park. Marc ist die gute Seele des International House (IH). Ob Pick-up-Service oder Reiseleitung, jegliche Dienste, die vier Räder erfordern, werden von Marc und seinem „Superbus“ verantwortungs- und zugleich humorvoll erledigt. In Zusammenarbeit mit lokalen Anbietern bietet das IH mehrmals im Monat verschiedene Kurztrips in die nähere Umgebung an, so auch diesen kleinen Ausflug zu unserem alten Freund „Skippy – dem Buschkänguru“ ins Waratah Park Naturreservat am Rande des Ku-ring-gai-Chase-Nationalpark.

Wer von Skippy noch nie etwas gehört hat, bei dem wecken möglicherweise Flipper, Fury oder Lassie Kindheits-Erinnerungen. „Skippy – das Buschkänguru“ ist das australische Pendant, und zählt zu den Klassikern der Tierserien. Die Abenteuerserie für Kinder wurde von 1966 bis 1968 produziert und ein Jahr später über Jahre hinweg auch in Deutschland ausgestrahlt. Alle 91 Folgen der Serie wurden hier im Waratah Park Naturreservat gedreht. Schauspieler, Kameras und Filmcrew verschwanden nachdem die Serie Ende der 60er eingestellt wurde, die Tiere und der Park blieben zurück. Zurück blieb auch die Ungewissheit was künftig aus dem Park werden sollte – Tierschutzgebiet, Streichelzoo, Filmset?

Seit 2003 nimmt sich „Earth Sanctuaries Limited“ (ESL) dem vernachlässigten Park an. In diesem und anderen Projekten bemüht sich das privatwirtschaftlich geführte Unternehmen sehr erfolgreich, die Lebensräume der beheimateten Tier- und Pflanzenwelt zu bewahren und vom Aussterben bedrohte Tiere in ihrer natürlichen Umgebung wiederanzusiedeln. Der „Wildlife Trail“ durch das Reservat kommt einer Entdeckungsreise in die Vergangenheit gleich. Jeder Schritt entlag des Pfades führt mich und meine Gruppe einen weiteren Schritt zurück ins ursprüngliche und unberührte Australien wie es wohl vor der europäischen Besiedlung im Jahre 1788 war: „1788 sanctuary“ wird der Park auch genannt.

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Über uns in den Baumwipfeln tummeln sich riesige Schwärme krächzender Gelbaugenkakadus. Um uns herum Emus, Koalas und Kängurus in allen Größen, Farben und Formen! Känguru ist ganz offensichtlich nicht gleich Känguru. Insgesamt gibt es sage und schreibe mehr als 80 verschiedene Arten. Das Rote Riesenkänguru kann bei einer Größe von bis zu 1,70 Meter eine Geschwindigkeit von 88 km/h und eine Sprungweite von 10 Metern erreichen. Meiner körperlichen und athletischen Unterlegenheit durchaus bewusst, widme ich mich daher doch besser den etwas kleineren Exemplaren der Gattung Beuteltier, den sogenannten Wallabies. Die Faszination über so viele kleine und große hüpfende Zeitgenossen äußert sich nicht nur bei mir in unkontrolliertem Knipsen aus allen erdenklichen Perspektiven. Diese erste Euphorie überwunden, versuche ich mit Hilfe zusätzlicher Erklärungen eines Park-Rangers meinen Blick auch für das unauffälligere Getier zu schärfen – mit wenig Erfolg: Pademelons, Bettongs, Potoroos, Bandicoots … kleinere Beuteltiergattungen, die auf den ersten Blick dem Aussehen von Mäusen ähneln, sich allerdings wie Kängurus hoppelnd fortbewegen, zu meinem Bedauern aber nachtaktiv sind.

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Unsere kleine Zeitreise macht einen kurzen Zwischenstop im Jahre 1968. Zurückgebeamt in Skippys Filmwelt der 60er, finde ich mich in einem bescheiden aber liebevoll eingerichteten Holzhaus wieder. Fichtenholzdielen und große Fensterfronten umfassen ein kleines Büro mit einem Schreibtisch, auf dem einsam ein altes, weißes Wählscheibentelefon steht. Gegen den mit zahlreichen Bildern geschmückten Wänden lehnen halbhohe Bücherregale aus rötlichem Teakholz – ohne Schnörkel, nur die Maserung des Holzes als Zierde. Gegenüber eine Polstergarnitur, Sofa und Sessel mit schwarzem Leder überzogen und lose mit verblichenen Sitzpolstern bekleidet. Der zierliche Couchtisch in deren Mitte und die kleine Kommode in der Raumecke komplettieren die spartanische Sitzgruppe. Tatsächlich stehe ich inmitten des original Ranger Headquarters, genau genommen in Matt Hammonds Büro – wie man es aus der Serie kennt. Sogar die alte Funkstation steht noch hier, einsatzbereit für eine potenzielle Folge 92!

Schnitt! Wir machen uns auf, weiter zurück in der Zeitrechnung, geradewegs in Richtung 1788. Die ungeschriebenen Gesetze der „Traumzeit“ bestimmen wonach und der australische Busch wovon gelebt wird. Es sind die Figuren dieser Schöpfungsgeschichte, die die Berge, die Flüsse, das Meer und den Himmel schufen und den Tieren und den Pflanzen ihren Namen gaben. Wir sind Jäger, Sammler und Medizinmänner. Wir sind Ureinwohner, Aborigines. Unsere tägliche Nahrung besteht aus all dem, was die Natur uns zur Verfügung stellt: Bush Tucker.

Stichwort Bush Tucker

Die Ernährung der Aborigines basiert traditionell auf pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln wie Samen, stärkehaltigen Wurzeln, Früchten, Gemüse, Gewürzen und Nüssen, sowie Fleisch, Insekten, Fisch und Meeresfrüchten. Es gibt nichts, was es nicht gibt, denn als Aborigine weiß man, die Vorzüge von Mutter Natur zu nutzen. Hier die eine oder andere Kostprobe:
Der süße Nektar aus den Blüten der Grevilee beispielsweise mit Wasser vermischt wird zu einem fruchtigen Cocktail. Wers lieber alkoholisch mag, der greift zum in Australien verbreiteten Grasbaum. Der gesamte Blütenstand wird in Wasser gesteckt und gären gelassen.
Der „Black Boy“, wie der sehr robuste Grasbaum aufgrund des von Buschbränden oft schwarz-gefärbten Stammes auch genannt wird, hat neben der Funktion als Nahrungslieferant übrigens auch andere Qualitäten. So wird das Harz des Baumes als Kleber verwendet, um Werkzeuge zu bauen und zu reparieren. Auskristallisiertes Harz entwickelt durch Verbrennen einen angenehmen Duft, der gegen Insekten wirkt.
Apropos Insekten. Aborigines machen sich einige Arten der kleinen Quälgeister zu Nutze. So wirken grüne Ameisen zum Beispiel gegen Erkältungen. Sie werden entweder lebend gegessen, mit Wasser getrunken, oder aber man zerstampft sie und massiert mit der entstandenen Masse die Brust ein, um die Atemwege wieder frei zu bekommen. Die heilkräftigen Krabbeltierchen schmecken nach Limette und haben einen hohen Vitamin C Gehalt.

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Ich bin beeindruckt von all dem Wissen, das in manchen Regionen Australiens auch heute noch uneingeschränkt angewendet wird. Ist es das, was gemeint ist, wenn so oft von den „wirklich wichtigen Dingen im Leben“ gesprochen wird? Die Erkenntnis jedenfalls, mit Kurvendiskussionen und Lateinvokabeln allein im australischen Busch wohl kaum mehr als zwei Tage überleben zu können, ist erschreckend und irgendwie beschämend. Das Schnupper-Überlebenstraining beendet, begleitet uns unser Ranger zurück zum Parkplatz. Aus dem Busch in den Bus. Zurück ins Hier und Jetzt.

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