Route 66 kann jeder! Die Route 62 ist ihre kleine, südafrikanische Schwester – die alte Verbindungsstraße zwischen Kapstadt und Port Elizabeth, wenig bekannt, wenig befahren. Der erste Eindruck: unscheinbar, öde. Doch in Wahrheit lenkt sie auf 850 Kilometern Länge die Touristenmassen geschickt gen Süden zur küstennahen N2 und der berühmten Garden Route, um dann die friedvolle Freiheit der Prärie mit dem klangvollen Namen „Klein Karoo“ alleine und ungestört auskosten zu können.

Die Route 62 war nie Teil des Plans. Sie hat sich eingeschlichen, mich gepackt und durchgeschüttelt auf staubigen Offroadpisten. Mich hingerissen, mitgerissen und in diese wunderbare Halbwüste geschickt. Ein Roadtrip der ausgesprochen heißen, nostalgischen, schmackhaften, wilden, schroffen, entspannten, charmanten und schrägen Art. Was die Route 62 zu bieten hat …

Landschaftliches: Klein Karoo

Die Swartberge im Norden und die Langeberg und Outeniqua Berge im Süden nehmen dieses auf 300 Kilometer Länge gedehnte Fleckchen Land in die Zange. Die Chancen, das mächtige Bergmassiv zu überwinden, stehen schlecht für die schweren, mit Regen gesättigten Wolken der Küstenregion. Das Land bleibt trocken. Der Boden – steinig und ausgezehrt. Grün getupft mit Stoppelbüschen. Bossies. Die Sicht reicht kilometerweit, verpufft im blassen Flimmern ferner Gebirgszüge. Die kleine Karoo ist halb Wüste – ganz schön schön. Doch wo Flüsse durchs Tal ziehen und es mit frischem Bergquellwasser versorgen, dort präsentiert die Karoo stolz ihre andere Seite – als üppiger Obst- und Weingarten.

Mehr Landschaftliches

„Klein Karoo“ im Online-Stream
Eine Kaapland Films-Produktion. Die Romantic-Comedy wurde unter anderem beim Swartberg Country Manor bei Oudtshoorn produziert und macht jedes Wohnzimmer zur südafrikanischen Karoo.
Den Trailer gibt’s zu sehen unter showmax.com
The Little Karoo – Nancy auf Reisen
Hochzeitsfotografin Nancy Ebert war mit Kind und Kegel auf der Route 62 und in der kleinen Karoo unterwegs und hat uns die allerbesten Eindrücke mitgebracht. Super schön!
Bilder gucken unter blog.nancy-ebert.de
Auch dir stehen die Türen offen in der Vrisch Gewagt Boutique Self-Catering Olive Farm: booking.com

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Historisches: Federboom in Oudtshoorn

Es war, als in Paris die Varieté-Tänzerinnen des berüchtigten Moulin Rouge in Federkostümen ihre Beine zum Cancan in die Höhe schleuderten. Als im prüden, viktorianischen England die Dame von Welt das teure Gefieder an ihre pompösen Hüte steckte und zum Fächer gefertigt damit vor dem Gesicht herumwedelte. Damals verdienten sich in der entfernten britischen Kapkolonie am Zipfel Afrikas die sogenannten Federbarone eine goldene Nase mit dem Straußenflaum. Ihre Landgüter bauten sie zu wahren Palästen aus. Mit dicken Mauern aus grobem, heimischem Sandstein. Mit Türmchen, Erker und Buntglasfenstern. Weiße, schmiedeeiserne Ornamente schmückten insbesonders Geländer und Überdachung der umlaufenden Veranda. Viktorianisch und ein bisschen Jugendstil – gehüllt in einen Hauch Villa Kunterbunt. Geld spielte keine Rolle!

Auch wenn flauschige Straußenpuschel nicht mehr annähernd so gefragt sind wie um die Jahrhundertwende, Oudtshoorn ist sich selbst als Welt-Straußenmetropole immer treu geblieben. Die Zeit scheint an dem 60.000-Einwohner-Städtchen vorbeigerauscht zu sein. Mittlerweile wird allerdings der ganze Vogel verscherbelt – vom Ei übers Fleisch und der zu Leder gegerbten Haut bis zur Schwanzfeder.
Viel brauchts nicht, um ins Oudtshoorn zu Zeiten des Federbooms rückversetzt zu werden: die Übernachtung in einem zum Gästehaus umgemodelten Federpalast, der Besuch einer echten Straußenfarm – und schwupps, willkommen im Jahre 1900.

Mehr Historisches

Rietfontein Ostrich Palace
Auf der ältesten, bis heute tätigen Straußenfarm der Kapkolonie absteigen?
Geht: booking.com
Cape Dutch Style
Lange bevor die Briten viktorianischen Flitter ans Kap chauffierten, waren es die Niederländer, die den Zipfel Afrikas für sich als Kolonie entdeckten. Und auch sie brachten ein Stückchen Heimat mit.
Guckst du hier: Cape Winelands Südafrika: „Ohlala“ a la Fronkreisch

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Kulinarisches: Die längste Weinstraße der Welt

Streng genommen ist es gar nicht nur die Route 62. Vom Westen her kommend beginnt die längste Weinstraße der Welt als N1 in Kapstadt und führt durch die besten Weinbaugebiete Südafrikas. Aus den Winelands rund um Paarl, Stellenbosch und Franschhoek kommen die besten und bekanntesten Weine des Landes. Feine Tröpfchen mit entsprechend feinen Namen wie „Anura Pinotage Reserve“. Fachkundig gekeltert aus der Nationalrebe Südafrikas. Pinotage.

Rich, aromatic nose, complimented by lush, juicy fruit. A velvety palate with prominent notes of black and red berries, featuring spicy undertones of cinnamon.

Nicht dass ich was von all dem Wein-Gesäusel verstehen würde, aber dass der schicke Rote mit den vielen Auszeichnungen zu Gegrilltem passt, macht ihn mir sympathisch. Um die 17 Euro kostet die Flasche. In meiner Schwarzwälder Heimat würde ich das Geld wohl eher ganz klischeegetreu in einen Kasten Rothaus Tannenzäpfle investieren. Kein Grund, mir jetzt und hier nicht nochmal ein zweites Probe-Schlückchen nachschenken zu lassen.
Östlich der Winelands verschwindet die N1 für vier Kilometer als Hugenotten-Tunnel in den Du Toitskloof Mountains. 2000 Höhenmeter Bergkulisse. Fynbosbewachsen – immergrün im Winter bis frühlingshaft bunt. Sie trennt Paarl von Worcester im Zentrum des fruchtig-süßen Breede River Valley. Unter der glühenden Sonne der hiesigen Felder reifen so einige süße Früchtchen heran, inklusive der Trauben für fast 27 Prozent der südafrikanischen Weine und – aufgepasst – Weinbrände.
Hier beginnt sie, die richtige und echte Route 62. Mit dem Kogmanskloof-Pass bei Montagu läutet sie den Übergang zur kleinen Karoo ein. Zur Hitze gesellen sich ab sofort noch ein paar Grad Celsius mehr. Kakteengewächse mischen sich vermehrt unters Proteenvolk und die Weine werden süßer, süffiger, hochprozentiger – Stichwort Likörweine. Speziell in Calitzdorp warten die besten Portweine außerhalb Portugals darauf, von ausgezehrten Mäulern auf der Durchreise verköstigt zu werden.

Mehr Kulinarisches

Buffelsdrift Game Lodge Restaurant
Traditionelle Karoo-Küche mit Strauß, Lamm, Wild und Bobotie wird nicht nur Übernachtungsgästen serviert. In jedem Fall vorher reservieren! Meine Dessertempfehlung: Dom Pedro. Könnt‘ ich mich reinlegen.
Mehr Infos unter www.buffelsdrift.com

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Tierisches: Buffelsdrift

Klein Karoo. Das bedeutet unweigerlich Strauße, Strauße und … richtig … Strauße! Es sei jedem verziehen, der auch mal ’ne Pause von dem überdimensionalen Geflügel braucht. Das hier ist Afrika. Das Afrika, in dem es außer dem Vogelstrauß noch ein paar Spezies mehr da draußen in der Wildnis gibt. Straußenreiten, Gepardentätscheln und Krokodiltauchen scheinen mir persönlich gerade hier doch eher irritirend.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Game Lodge Buffelsdrift nur wenige Minuten abseits von Oudtshoorn und der Route 62 mit ähnlich absurden Attraktionen ihre Nebenbuhler in unmittelbarer Nachbarschaft auszustechen versucht. Doch mit Durchqueren des Eingangstors lichten sich die Schatten der Skepsis schnell. Die freie Wildbahn reicht hier erfreulicherweise weiter als bis zu den nächsten Gitterstäben. Das Reservat umfasst unerwartete 4500 Hektar Buschland an den hügeligen, auffällig grün bewachsenen Ausläufern der Swartberge.

Wer hier übernachten will, kann vom Luxuszelt am Wasserloch aus Hippos beobachten, stilvoll duschen unter Afrikas freiem Himmel und sich bei einem Sundowner auf dem eigenen, kleinen Sonnendeck über dem Wasser rekeln. Wir rekeln nicht, wir rollen – im Safari-Jeep durch den Busch. Das geht auch als Tagesbesucher und ist durchaus lohnenswert. Alle fünf „Großen“ wird man nicht finden, aber bevor ich mir einen Löwen hinter Gittern anschaue, beobachte ich lieber Nashörner oder Giraffen durch die Pampa pirschen.

Mehr Tierisches

Meerkat-Safari
Mein heimlicher Star aus Disneys „Der König der Löwen“ ist und bleibt Timon, das Erdmännchen. Devey weiß, wo sich das kleine Scheißerchen verkriecht. Ein entspanntes Wachwerden bei Sonnenaufgang, mit Klappstuhl, Kaffee und Kamera.
Tierisches Meet & Greet mit Timon: dezeekoe.co.za

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Abenteuerliches: Swartberg Pass

Es führt kein Weg drumrum. Man muss einfach drüber. Runterschalten. Aufdrehen. Staub aufwirbeln und durch die Kurven rauschen. Flankiert von mächtigen Felswänden und tiefen Abgründen. Das sind die besten Roadtrips: Passstraßen. Und wenn man dann noch auf der falschen Straßenseite daherkommt … dann wird’s abenteuerlich. Die Route 62 ist nicht nur als Weinroute bekannt, sie ist auch DIE Bergpassstraße Südafrikas schlechthin: Du Toitskloof, Kogmanskloof – du erinnerst dich? Nur zwei von vielen. Dem Rädelsführer der Bergpassbande R62, namentlich Swartberg Pass, wurde 1988 zu seinem einhundertsten Jahrestag ein Krönchen als National Monument verliehen. Ihre Hoheit schraubt sich von Oudtshoorn ausgehend über Stock und Stein hinauf auf 1583 Meter und verbindet die Kapitale der kleinen mit dem 72 Kilometer entfernten Prince Albert in der großen Karoo.

„The nothingness (die niks), the wide open spaces and the deafening stillness …
balm for the soul at sunset – this is the magic of Prince Albert at the gateway to the Great Karoo“

Die Piste ist teils schmal und steil. Aufgeschichtetes Felsgestein dient als Fahrbahnbegrenzung. Gegenverkehr – kaum. Wir genießen den Fernblick aufs Flecktarn-Farbenspiel der vielen Felder unten im Cango Valley, wo immer sich die Gelegenheit bietet, die Handbremse zu ziehen und Halt zu machen. Wo nicht, da auch. Bei guter Witterung ist die Strecke mit einem gewöhnlichen Kleinwagen gut zu befahren. Tarnfarbenmetamorphose inklusive. Bei Regen oder gar Schnee: Uffbasse! Was vorher abenteuerlich war, kann dann sehr schnell zum Risikofaktor werden.

Die optionale Kirsche auf der Swartberg-Torte: Nörderlich der Passhöhe führt von der R328 eine Abzweigung in Richtung Gamkaskloof – so die amtliche Bezeichnung der Kampfansage an alle selbsternannten Superfahrer. Der 47 Kilometer lange, zeitintensive Zickzack-Kurs hin und auch wieder zurück ist beliebte Kulisse bei Outdoor-Sportlern. Der inoffizielle Weg in die Hölle („Die Hel“) endet überraschend im Paradies – und hier ist bekanntlich alles andere als der Teufel los.

Mehr Abenteuerliches

Cango Caves Adventure Tour
Das Anforderungsprofil für eine Expedition der Marke „Krabbelgruppe“ durch das überdimensionale Höhlensystem tief unter den Swartbergen lautet wie folgt: Keine Klaustrophobie, keine Knieprobleme und eine … sagen wir … mäßige Körperfülle!
Detailierte Tourenbeschreibung: www.cango-caves.co.za
The Donkey Trail
Bis 1962 war der einzig mögliche Zugang zur Oase in den Swartbergen ein Esel-Pfad von Calitzdorp – die Verbindung zur Außenwelt für eine handvoll Siedler. Die haben sich mit dem Bau der Straße aus dem Staub gemacht. Zurück bleibt der alte Pfad und die Chance, ihn mit Sack und Pack und Esel in vier Tagen und drei Nächten zu durchstreifen.
Wo genau, wie und mit wem? www.donkeytrail.com

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Entspannendes: Miles B&B Guesthouse

Wir hatten dieses wunderbare Zimmer im Erdgeschoss. Samt Stalltür und kleiner Terrasse. Inmitten einer von Familie Miles mit viel Liebe und Sorgfalt gepflegten, schnuckligen Gartenanlage. Mit Zitronenbäumchen und typisch afrikanischen Akazien. Jeden Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen – und wir befinden uns in Oudtshoorn, da gibts nur Sonne –, habe ich mich bei ’ner großen Tasse Kaffee in den hölzernen Terrassenstuhl gefläzt. Und vor meinem geistigen Auge konnte ich Giraffen an den Akazien knabbern und Löwenbabys durchs Dickicht streifen sehen. Entfernungstabelle in Metern: Pool sechs; Grillstelle drei; Ortsmitte 800; Wolke sieben.
Bilder gucken und buchen unter booking.com!

Mehr Entspannendes

Montagu Hot Springs
Es soll sie ja überall auf der Welt geben. Wellness-Ultras, die sich unter der Headline „Entspannung“ mit Inbrunst Stunden, Tage und Wochen lang durchkneten lassen und in Heißwasser-Bädern rumdümpeln. 43 Grad Celsius. Ja, Außentemperatur auch manchmal. Brauch ich jetzt nicht so. Aber wem’s gefällt …
… der soll’s auch kriegen: www.avalonsprings.co.za

Schräges: Ronnies Sexshop

Es war einmal der Ronnie. Ronnie war ein Farmersmann. Tüchtig, anständig und bescheiden. Die Weite der südafrikanischen Karoo war es, die er seine Heimat nannte. Nahrung schenkten ihm die ertragreichen Felder am Fuße der Langeberge. Pfirsiche, Äpfel und Birnen reiften zu prächtigen Früchten heran, die er an seinem Marktstand mit Namen „Ronnies Shop“ an der Route 62 zu verkaufen beabsichtigte. So sollte es sein.
Doch eines Nachts – in Gesellschaft seiner Gefährten hatte Ronnie dem Gerstentrunk gefrönt – nahm das Schicksal eine Wendung, als jene listig und unbemerkt der Aufschrift drei Lettern hinzufügten, sodass sein Besitztum fortan den Namen „Ronnies S E X Shop“ trug.
So wurde der Shop zum Pub erkoren und zunehmend nahmen vorbeiziehende Reisende Ronnies Gastfreundschaft in Anspruch. Die Jahre vergingen. Der derweil ergraute aber stets jung gebliebene Ronnie erwies unermüdlich jedem Fremden seinen Dienst. Bot ihm Speis und Trank zur Verköstigung, sowie eigens kreierte Gewänder zum Bekleiden. Sofern reichlich Gerstensaft fliessen sollte, versprach er gar Obdach zur Nächtigung zu gewähren. Es waren ruhmreiche Jahre. Aus aller Welt gebührte ihm Dank und man beschenkte ihn großzügig mit allerlei … äh … Hausrat.
Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute …

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2 replies on “Südafrika Roadtrip: Klein Karoo auf der Route 62

  1. Was für wunderschöne Bilder. Ich bin 2014 von Kapstadt hoch bis zur Grenze nach Namibia gefahren und habe auch an der Karoo gekratzt. Ich hatte sogar das Glück, das die Wildblumen angefangen haben zu blühen. Ein wahnsinniges Schauspiel in dieser sonst so kargen Gegend…

    Liebe Grüße,
    Lynn

  2. Hammer Bilder! Wir sind in der Karoo am A… der Welt mal liegengeblieben. Das war dann nicht mehr so lustig in der Bullenhitze und Warten bis freundliche Menschen sich uns annahmen…. aber eine sehr herzerwärmende afrikaanse Erfahrung ;-)

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