Wie kann man morgens kurz vor Acht schon so gut aussehen? Groß, schlank, die langen blonden Haare locker im Nacken zusammengesteckt und nicht die Spur von Müdigkeit dafür aber ein Lächeln im Gesicht verlässt sie unser beider Backpacker im Stadtzentrum von Christchurch. Schwedin, würd‘ ich tippen. Nein, zu natürlich, wenig Make-up. Aber bestimmt ein Nordlicht. Sie pflanzt sich neben mich auf einen der Blumenkübel vor dem Hostel-Eingang. Ich schlafe weiter, mit offenen Augen. Ob ich auch auf den Bus warte, fragt sie mich. „Yes.“ – „Stray?“ – „Yep.“ – „Heading north to Kaikoura?“ – „Yea.“ Ob man’s glaubt oder nicht, die paar müden Worte meinerseits entwickeln sich tatsächlich noch zu einer richtigen Unterhaltung, und ich finde heraus, dass die schöne Blonde genau wie ich mit StrayTravel um die Südinsel touren wird. Ihr Englisch scheint perfekt, ohne erkennbaren Akzent. Trotzdem war meine Einschätzung nicht ganz falsch, Ditte – so ihr Name – ist Dänin. Mit ihr und der restlichen Stray-Crew startet wenig später unsere gemeinsame Rundreise. Kurs … Kaikoura!

Nach nur knapp zweieinhalb Stunden Fahrt entlang der Küste erreichen wir die Kaikoura Peninsula – eingerahmt vom Südpazifik und den schneebedeckten Gipfeln der Seaward Kaikoura Ranges. Unser Kapitän und Fahrer bringt uns direkt zum Point Kean an der Ostspitze der Landzunge, wo sich das ganze Jahr über Pelzrobben am Küstenstreifen nahe dem Parkplatz tummeln. Kaum aus dem Bus gestiegen, stolpere ich fast schon über eines der mit gräulich-braunem Fell gut getarnten Tiere, die durchaus auch kräftig zubeißen können, wenn sie sich bedroht fühlen. Ich mache mich also schnell wieder aus dem Staub und wahre den Sicherheitsabstand.

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Hoch oben auf dem Plateau der Halbinsel gibt es ein gut ausgebautes Wanderwegenetz. Der „Cliff Top Walk“ ist angeblich einer der schönsten Küstenwanderwege Neuseelands. Dennoch gilt unsere Aufmerksamkeit weiterhin den dickfelligen Meeressäugern, die sich bei einsetzender Ebbe um die besten Sonnen-Plätze auf dem flachen, felsigen Untergrund streiten. Wohl wissend, dass es die warme Morgensonne ist, die sie genießen, wirken sie fast so, als würden sie gekonnt vor unseren Kameras posieren.

In der Adelphi Lodge, einem umgebauten, nostalgischen Hotel im Zentrum des einstigen Fischerdörfchens, endet der heutige Routenabschnitt von 180 Kilometern Fahrt. Sauber, gut ausgestattet, modern … wünschenswerte Eigenschaften, die aber sicherlich nicht auf das nunmehr renovierungsbedürftige Hostel zutreffen. Dennoch fühle ich mich dort nicht unwohl. Ganz Kiwi-like ist das Personal sehr herzlich und der Preis angemessen. Würde ich die Herberge einzig mit einem Farbton beschreiben müssen, wäre dies wohl ein charmantes Altrosé. Das Gepäck eingecheckt und gestärkt mit Keksen, Wasser und etwas Obst aus dem Supermarkt gegenüber, mache ich mich bei außergewöhnlich gutem Wetter zusammen mit Ditte auf den kurzen Fußweg entlang der Küste zur Whale-Watch-Station – wohl einer der meist besuchten Orte hier. 1987 startete Whale-Watch-Kaikoura mit einem Acht-Mann-Schlauchboot mit Außenbordmotor, heute ist das Unternehmen Kaikouras größter Arbeitgeber und übrigens nach wie vor in Māori-Besitz.
Die reichen Fischgründe und der Walfang machten Kaikoura im 19. Jahrhundert zu einem florierenden Fischerort. Es sind noch immer die Wale, die den kleinen Ort prägen, und der ganze Artenreichtum an maritinem Leben, der jährlich mehr als 80.000 Besucher aus aller Welt anlockt. Beim Whale Watching hoffe ich also, die riesigen Meeressäuger – zumindest einen davon – zu Gesicht zu bekommen. Schwimmen mit Delfinen wäre alternativ im Angebot. Bei 14° Celsius Wassertemperatur und einem zart besaiteten Kälteempfinden, scheiden die Delfine für mich jedoch aus.

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Lonely Planet Reiseführer Neuseeland*

15° Celsius Außentemperatur, kein Regen, annähernd windstill. Mein Fensterplatz stellt sich jetzt, da die „Paikea“ mit Höchstgeschwindigkeit aufs offene Meer hinaus braust und unaufhörlich das Bugwasser seitlich gegen die Panoramascheiben schmettert, als gänzlich nutzlos heraus. Dass jeder Passagier bis zur Ortung eines Wales auf seinem Platz ausharren muss, stört angesichts der etwas holprigen Fahrt nicht wirklich jemanden. Während einige im Kampf gegen die mir erspart gebliebene Seekrankheit mehr als genug Beschäftigung finden, widmen sich andere der fachkundig vorgetragenen „facts & figures“ der Unterwasserwelt Kaikouras:

Stichwort Kaikoura Canyon: Bedingt durch die Plattentektonik unserer Erde, speziell durch das Aufeinandertreffen zweier Kontinentalplatten, entstand vor der Küste Kaikouras ein Tiefsee-Graben – bekannt als Kaikoura-Canyon –, der nur 1,6 Kilometer vom Ufer entfernt abrupt etwa 1000 Meter tief abfällt. Sich in nord-östlicher Richtung ausdehnend erreicht die Schlucht nach weiteren elf Kilometern eine Tiefe von 3000 Metern und mehr. Es ist das tiefe Wasser, das für Meeressäuger ein Unterwasserparadies bereitstellt, und die günstigen Strömungsverhältnisse, denn sie sorgen für optimalen Nährstoffnachschub durch Plankton, Fische und Langusten.
Während Blau-, Glatt-, Buckel-, und Zwergwale, sowie Delfine und Orkas auf ihren Wanderungen hier Station machen, bewohnen männliche Pottwale, die wie man weiß sehr tief tauchen, den Canyon das ganze Jahr über – nicht zuletzt auch, weil in diesen stockfinsteren Tiefen der sagenumwobene Riesenkalmar beheimatet ist, der zu seiner Leibspeise zählt. Den Pottwalkühen sind die Temperaturen zu kalt, um dauerhaft hier zu leben.

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Dann … ein Ruck fährt durchs Boot, die Motoren stoppen. „Whale ahead!“ tönt es durch die Lautsprecher und alle springen wie von der Tarantel gestochen auf und drängen nach draußen an Deck. Der Fensterplatz? Nicht nur nutzlos, lästig! Ditte – kurz Di – und zuletzt auch ich stolpern hinterher und erwischen über die Köpfe der anderen hinweg noch ein, zwei Schnappschüsse der Rückenflosse eines vermeintlich kleinen, noch jungen Pottwalbullen, bevor er zwei kurze Minuten später schon wieder in den Tiefen des Meeres verschwindet. Die bis zu 20 Meter langen Meeresriesen verweilen nicht viel länger als acht Minuten an der Oberfläche, um sich von einem Tauchgang zu erholen und für den nächsten neue Kraft und Luft zu tanken. Es ist diese kurze Taucher-Pause, die es für den Kapitän der „Paikea“ und seine Crew nun auf ein Neues abzupassen gilt. Mit einem Hydrophon werden Klicklaute eingefangen, die ein Wal der Kommunikation und Orientierung wegen aussendet. So kann er geortet und angepeilt werden. Für mich und Di eine weitere Chance, einen Platz in der ersten Reihe an der Reling zu ergattern. Und dieses Mal werden wir vorbereitet sein!

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So sollte es sein, denn am Ende des Tages können wir von Glück sagen, neben einer Rasselbande quirliger Dusky-Delfinen, einigen majästätischen Königsalbatrossen und unzähligen anderen Seevögeln auch vier verschiedene Wale aus nächster Nähe beobachtet haben zu können:
Wie sie uns zurückbeobachten, bescheiden, still, wie Treibgut im Wasser. Wie sie schnauben, ein Feuerwerk feinster Wassertröpfchen. Wie sie uns den Rücken kehren, langsam, in einer einzigen langen, geschmeidigen Bewegung und uns zuwinken, mit ihrer riesigen, kraftvollen Fluke, bevor sie abtauchen in ihre Welt. Dann wird klar, wir sind hier geduldet als ihre Gäste, aus Höflichkeit, Neugierde, Liebenswürdigkeit oder vielleicht sogar – so will man glauben – Sympathie.

Unterkunft

Adelphi Lodge Kaikoura

Ausstattung

24 Zimmer, Preis pro Zimmer und Nacht im „Dorm Room“ für 4 bis 6 Personen 25 NZD (ca. 16 EUR), Gepäckaufbewahrung, Tourschalter, Wäscheservice, abends kostenlos Suppe für alle, kostenloses Spa, 24 Stunden Internet-Zugang, ausgestattete Küche, Lounge mit Billard-Tisch & SKY-TV

Kontakt

26 West End, Kaikoura
fon (03) 319 5141, fax (03) 319 6786, freephone 0800 423 574
adelphilodge@xtra.co.nz

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